Zurück zur Startseite

Sieglinde Geisel

Portrait der Kritikerin Sieglinde Geisel
Photo credit Peter Puentener

»Die Grundfrage aller Literaturkritik: Woran merke ich, dass ein Buch etwas taugt?«

Sieglinde Geisel ist in der Schweiz aufgewachsen, sie studierte in Zürich und Berlin Germanistik und Theologie. 1988 ging sie nach Berlin, von 1994-1998 war sie Kulturkorrespondentin der NZZ in New York, danach bis 2016 in Berlin. Als Literaturkritikerin und politische Kommentatorin arbeitet sie u.a. für den Deutschlandfunk Kultur, SRF Kultur, die Republik und die WOZ. Sie nimmt Lehraufträge für Schreibwerkstätten wahr (Freie Universität, Universität St. Gallen u.a.), moderiert Lesungen, arbeitet als freie Lektorin und nimmt an Literatur-Jurys teil. 2016 hat sie das Online-Magazin tell ↗www.tell-review.de gegründet, das sie seither leitet. Die Bezeichnung "Magazin für Literatur und Zeitgenossenschaft" ist dabei ein Bekenntnis zur politischen Relevanz von Literatur.

»Wir sitzen alle in einem Boot
Dass Klimawandelleugner ausgerechnet dort an der Macht sind, wo die Wälder am stärksten brennen, ist eine geradezu makabre Ironie des Schicksals. Der Amazonas gehört Brasilien, und sein Land kann damit machen, was es will, so lautet bekanntlich die Haltung von Jair Bolsonaro. Für Scott Morrison wiederum geht Kohleindustrie vor Klimaschutz, und damit nicht genug: Gerade, weil die Klimaschützer jetzt erst recht einen Grund dazu haben, will der australische Premierminister ihnen das Demonstrieren verbieten. Man könnte lästern, dass die Australier damit die Quittung für ihre Wahlentscheidung erhalten haben, doch das ist ein schwacher Trost. Denn im Anthropozän sitzen wir alle in einem Boot.«

(Aus: Australien geht uns alle an, Deutschlandfunk Kultur 10.01.2020)

Woran merke ich, dass ein Buch etwas taugt? Diese Grundfrage aller Literaturkritik steht für Sieglinde Geisel im Zentrum ihrer vielfältigen literaturkritischen Arbeit. So hat sie sich in der tell-Reihe ↗Satz für Satz mit Kriterien für Literatur auseinandergesetzt. In einem Gespräch über den Verriss für das Online-Angebot des Einsteinforums und auf tell diskutiert sie über das literaturkritische Urteilen und Verurteilen, und in dem Literaturfeature ↗Schriftsteller mit weißer Weste? denkt sie über die moralische Dimension von Literatur nach. Wenn Literatur eine gesellschaftliche Relevanz beanspruchen will, kann sie den Klimawandel nicht ignorieren, so Sieglinde Geisel. In Rezensionen und Gesprächen im Deutschlandfunk Kultur setzt sie sich mit Climate Fiction auseinander, ihre Mitarbeit beim Climate Fiction Festival ist ebenfalls Ausdruck dieses Engagements. Auch bei der Climate Fiction stellt Sieglinde Geisel die Frage nach den Kriterien: Wodurch zeichnen sich die großen Werke der cli fi aus?